Prag / Bad Hersfeld, den 20. April 2020
Die Deutsch-Tschechische
Juristenvereinigung (DTJV e.V.) ist alarmiert ob der mittlerweile seit mehr als
einem Monat andauernden Schließung der deutsch-tschechischen Grenze – in dem
Sinne, dass diese jetzt kontrolliert und deren Übertretung kompliziert reguliert
ist. Die gegenwärtige Grenzschließung führt Deutschland und die Tschechische
Republik zurück in die Zeiten vor der großen Wende 1989/1991, an die sich wohl nur
die älteren Mitglieder unseres Vereins, der 1993 gegründet wurde, erinnern.
Leider ist festzustellen, dass
die Initiative zu diesen vorgestrigen Methoden ab dem 13. März 2020 von der
tschechischen Seite ausging, wobei es seit Anfang April 2020 dann auch zur
Grenzschließung deutscherseits gekommen ist. Dabei hatte die Europäische
Kommission schon am Anfang der Corona-Krise festgestellt, dass
Grenzschließungen zur Verhinderung der Verbreitung des Virus SARS-CoV-2 (Corona-Virus)
nicht zweckmäßig seien und das europäische Recht verletzten. Leider scheint die
nonchalante Ignorierung des europäischen Rechts mittlerweile sowohl auf
deutscher, als auch auf tschechischer Seite an der Tagesordnung (cf. die
zeitgleichen Entscheidungen des EuGH vom 2. April 2020 – Urteil in der
Rechtssache C-830/18 Landkreis Südliche Weinstraße / PF u. a.: Schülerbeförderung
im deutsch-französischen Grenzgebiet – und das Urteil in den verbundenen
Rechtssachen C-715/17, C-718/17 und C-719/17 Kommission / Polen, Ungarn und
Tschechische Republik: Verteilung von Flüchtlingen auf Länder der EU nach
vorgegebenen Quoten). Das Mauturteil gegen Deutschland wollen wir hier gar
nicht anführen, auch die – bisher nicht auf ihre EU-Rechts-Vereinbarkeit
entschiedenen – Subventionsfälle des tschechischen Premierministers wollen wir
gar nicht erwähnt: beides stellt weder der Tschechischen Republik, noch
Deutschland einen guten Umgang mit dem europäischen Recht aus.
Nachdem nun die Pendlerregeln
der Tschechischen Republik durch deren Neufassung seit dem 14. April 2020 nicht
abgemildert, sondern eher verschärft und mit einem bürokratischen
Instrumentarium ergänzt worden sind, das es nicht einmal vor 1989 so gab – mit
der Notwendigkeit, Verbalnoten der Botschaften des Ziellandes für jeden Pendler
auszustellen -, ist aus der Sicht des DTJV e.V. das Maß voll. Diese Maßnahmen sind
unverhältnismäßig, sie widersprechen auch den Leitlinien der EU-Kommission für
die Behandlung von Grenzpendlern. Das Risiko, sich an dem Corona-Virus
anzustecken, sind bei einer Fahrt in die und einem Aufenthalt in jeder Stadt in
der Tschechischen Republik und in Deutschland mehr oder weniger gleich hoch: ob
Berlin, München, Nürnberg oder Dresden auf der einen Seite, oder Ostrava, Prag,
Brünn oder Pilsen auf der anderen Seite, die Ansteckungsmöglichkeiten sind bei
der Einhaltung der empfohlenen Vorsichtsmaßnahmen (Maskentragung, Hygiene,
soziale Distanz) gleich hoch, also eher niedrig. Deswegen sind
Grenzschließungen, d.h. die Verhinderung von Reisen von Ostrava oder Prag nach
Berlin oder München, oder von Nürnberg oder Dresden nach Pilsen oder Brünn,
oder in anderer Richtung, nicht zweckmäßig, weil schon ungeeignet, die Verbreitung
des Corona-Virus einzudämmen.
Wie Verbalnoten,
Ehrenerklärungen, Arbeitsverträge und andere gestempelte und apostillierte
Kopien die Verbreitung des Corona-Virus verhindern können, mögen die
beteiligten Bürokraten erklären. Deren mögliche Erklärungen werden aber kaum überzeugen,
denn die Kategorien A, B und C der Pendler, die Kataloge der Ausnahmegruppen
von Lastwagenfahrern bis Diplomaten, Trauerreisenden bis zu Abgeordneten, von
Euro- bis zu nationalen Parlamenten, von Feuerwehrleuten bis Krankenschwestern,
Technikern von Atomkraftwerken und Erbringern von sozialen Dienstleistungen
machen die Grenzen ohnehin so löchrig wie einen Schweizer Käse. Deswegen verfehlen
die aufgestellten Beschränkungen aus mehreren Gründen den Zweck, die
Ausbreitung des Corona-Virus zu verhindern, und damit sind diese Regeln
rechtswidrig.
Wichtiger ist ein intelligenter
Umgang unserer Gesellschaften mit dem Virus – und das ist auch ohne
Grenzschließung und bürokratische Gängelung möglich. Die Grenzschließungen sind
eine Entmündigung unserer Bürger zugunsten gesichtsloser Bürokraten in
Ministerien und Botschaften, die mit der zweifelhaften Privilegierung einiger
Gruppen einhergeht – wie vor 1989. Damit muss schleunigst Schluss sein, unsere
Gesellschaften brauchen den Austausch, der in diesen Zeiten arg vermindert ist.
Geschlossene Grenzen und Isolation sind auf Dauer Gift, das nur zu
Nationalismus führt. Nationalismus heißt Krieg, das wussten schon Havel, Kohl,
Gorbatschow und Mitterrand (von letzterem stammt auch dieses Zitat).
Unser Verein hat sich seit
1993 dem wissenschaftlichen und juristischen Austausch zwischen Deutschland und
der Tschechischen Republik verschrieben – diesen Auftrag zu erfüllen, ist bei
den gegenwärtigen Maßnahmen unmöglich. Deswegen müssen diese aufgehoben werden.
Auch die öffentlichen Verkehrsverbindungen müssen wiederhergestellt werden.
Das Corona-Virus wird noch
lange in Europa grassieren, so lange dürfen aber die Grenzen nicht geschlossen
bleiben. Die Folgen davon würden den Nutzen, wenn überhaupt einer eintritt, bei
weitem aufheben.
Für den Vorstand der DTJV e.V.
Präsident der DTJV e.V.
Tilman Schmidt
Rechtsanwalt
Für den Beirat der DTJV e.V.
Dr. Stephan Heidenhain
Rechtsanwalt / advokát
Die Erklärung in tschechischer Sprache finden Sie hier.